Church Rock/Kinłitsosinil, USA
Uranbergbau
Im Juli 1979 wurden im Uranabbaugebiet Church Rock durch einen Dammbruch große Mengen an radioaktivem Abwasser in den Puerco River gespült. Die Umweltkatastrophe von Church Rock gilt als die größte Freisetzung von Radioaktivität in der Geschichte der USA, noch vor der Kernschmelze des Atomkraftwerks Three Mile Island im selben Jahr. Die indigenen Navajo, die in der Umgebung leben, werden seit Jahrzehnten erhöhten Strahlendosen ausgesetzt.
Hintergrund
Der kleine Ort Church Rock im US-Bundesstaat New Mexico ist Teil der Navajo Nation, einer semiautonomen Region des indigenen Navajo Volkes. Nachdem hier Anfang der 1950er Jahre Uranvorkommen entdeckt wurden, entstanden in den folgenden Jahrzehnten rund 20 Uranminen rund um Church Rock. Außerdem nahmen mehrere Uranmühlen den Betrieb auf, um das wachsende US-Atomwaffenprogramm mit dem spaltbaren Material zu versorgen. 1968 eröffnete die United Nuclear Corporation (UNC) die größte unterirdische Uranmine der Vereinigten Staaten. Über 200 Arbeiter, vor allem Stammesmitglieder der Navajo, produzierten jährlich über 1.000 Tonnen Uranoxid (U3O8). Für jede Tonne dieses Urankonzentrats entstanden mehrere Tausend Tonnen radioaktiver Abraum. Dieser wurde, zum Schutz vor Verwehung, mit Wasser bedeckt und in großen, offenen Stauseen gelagert. Nachdem es in der Vergangenheit bereits häufiger zu kleineren Lecks gekommen war, brach am 16. Juli 1979 der Damm eines solchen Stausees. Mehr als 1.000 Tonnen radioaktiver Abfall und 360 Millionen Liter radioaktives Abwasser wurden in den nahe gelegenen Puerco River gespült. Diese Umweltkatastrophe stellt den größten zivilen Atomunfall in der Geschichte der USA dar. Selbst durch die Kernschmelze von Three Mile Island einige Monate zuvor war nicht so viel Radioaktivität freigesetzt worden. Trotz des dramatischen Anstiegs der Strahlenwerte in Luft, Wasser und im umliegenden Gelände wurde Church Rock nicht, wie vom Stammesrat der Navajo gefordert, zum Katastrophengebiet erklärt. Die Uranindustrie in Church Rock wurde 1982 eingestellt und das verseuchte Gebiet in die Verantwortung der US-Umweltschutzbehörde EPA abgegeben.
Folgen für Umwelt und Gesundheit
Der radioaktive Abraum aus Church Rock enthält Radium, Thorium und andere Spaltprodukte des Urans, die bei Inhalation oder bei Aufnahme über die Nahrung Krebs erzeugen können. Die ländliche, sozial ausgegrenzte indigene Bevölkerung der Navajo sind diesen radioaktiven Stoffen bis zum heutigen Tag ausgesetzt. Während bei den 1.700 direkt vom Unfall betroffenen Menschen keine akuten Strahlenschäden festgestellt wurden, warnen Gesundheitsexperten vor den langfristigen Folgen der chronischen Strahlenexposition. Da die Viehbestände der Navajo sowie deren Trinkwasserquellen radioaktiv belastet wurden, ist die Sorge groß, dass die Anwohner durch kontaminiertes Fluss- und Grundwasser sowie durch den Verzehr von belastetem Fleisch und Gemüse relevanten inneren Strahlendosen ausgesetzt sind. Vor allem Kinder und Immunschwache haben ein signifikant erhöhtes Krebsrisiko im Vergleich zum oft zitierten „Referenz-Mann“, wenn es um die strahlenhygienisch zulässigen Strahlendosen geht.
Die EPA hat in 14 Gebieten rund um den Unglücksort eine ausgedehnte Verseuchung durch Radium gefunden und ein erhöhtes Gesundheitsrisiko durch radioaktive Staubpartikel, Radongas, verseuchtes Regen- und Oberflächenwasser sowie kontaminierte Viehbestände festgestellt. Erkrankungen, die durch den Kontakt mit diesen radioaktiven Substanzen ausgelöst werden, sind unter anderem Katarakte, Knochenmarksuppression, Nierenerkrankungen, kindliche Fehlbildungen und Krebs. Über das Kompensationsgesetz für Strahlenexponierte wurden den Uranminenarbeitern, bei denen Krebs oder Lungenerkrankungen diagnostiziert wurden, „Entschädigungen“ von je 100.000 US-Dollar zugesprochen. Die Auszahlung des Geldes wurde jedoch durch einen komplizierten Zertifizierungsprozess erschwert, der für die Navajo eine bedeutende Hürde darstellt und oft dazu führt, dass Kompensationen vorenthalten werden. 2003 gründeten die Navajo das Church Rock Uranium Monitoring Project (CRUMP), um die Umwelt- und Gesundheitsfolgen der verlassenen Uranminen auf die Anwohner zu erfassen.
Ausblick
Von 2003 bis 2007 fand das Church Rock Uranium Monitoring Project in Bodenproben nahe Church Rock erhöhte Gamma-Strahlung und Urankonzentrationen. Das Wasser des Puerco River, das zur Bewässerung der Felder und als Trinkwasser für Weidevieh verwendet wird, war ebenfalls radioaktiv kontaminiert. Die Langzeiteffekte der erhöhten Strahlenbelastung wurden bislang nicht untersucht. Erst im Jahr 2012 wurden Pläne bekannt, dass eine epidemiologische Studie an schwangeren Navajo-Frauen und ihren Kindern durchgeführt werden soll um die gesundheitlichen Folgen von Uranexposition zu untersuchen. Das Volk der Navajo hat wiederholt eine staatlich finanzierte Säuberung der verlassenen Minen gefordert. Zudem haben sie die Wiederaufnahme der Uranproduktion entschieden abgelehnt. Die Navajo von Church Rock zählen zur Gruppe der Hibakusha, denn auch ihre Gesundheit wurde dem Streben nach Atomwaffen geopfert.
Quellen
- Brugge et al. „The Navajo people and uranium mining“. Albuquerque: University of New Mexico Press, 2007.
- Brugge et al. „The Sequoyah corporation fuels release and the Church Rock spill: unpublicized nuclear releases in American Indian communities“. Am J Public Health. 2007;97(9):1595–1600. www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1963288/
- „Addressing Uranium Contamination on the Navajo Nation“. Webseite der US Environmental Protection Agency (EPA). www.epa.gov/region9/superfund/navajo-nation/ne-church-rock-mine.html
- „Report of the Church Rock uranium monitoring project 2003-2007“. Southwest Research and Information Center, Mai 2007. http://www.sric.org/uranium/docs/CRUMPReportSummary.pdf
- „Federal Actions to Address Impacts of Uranium Contamination in the Navajo Nation – Five-Year Plan Summary Report.“ Environmental Protection Agency (EPA), January 2013, p. 85. www.epa.gov/region9/superfund/navajo-nation/pdf/NavajoUraniumReport2013.pdf
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