In Ekker, Algerien
Atomwaffentests
Im algerischen In Ekker führte Frankreich 13 unterirdische Atomwaffentests durch, die zu einer massiven radioaktiven Kontamination des umliegenden Geländes, der Luft und möglicherweise sogar des Grundwassers sowie zur Strahlenexposition Hunderter Menschen führten. Bis heute wurden die Opfer nicht angemessen entschädigt und das Ausmaß der radioaktiven Verseuchung nicht genauer untersucht.
Hintergrund
Der Ort In Ekker liegt an einer Hauptstraße durch die Sahara im Süden Algeriens, in einer Region, die von Nomadenstämmen und vorbeiziehenden Karawanen bevölkert wird. Bis zum Jahre 1962 war Algerien noch eine französische Kolonie. Nachdem überirdische Atomwaffentests der französischen Armee in der Nähe von Reggane zu Sorgen bei algerischen Politikern geführt hatten, begann Frankreich im November 1961 mit einer Reihe unterirdischer Tests bei In Ekker. Auch nach der algerischen Unabhängigkeit wurden die Tests fortgesetzt, da eine Klausel im Unabhängigkeitsvertrag von Evian der französischen Armee erlaubte, die Tests für fünf weitere Jahre durchzuführen. So wurden in Tunneln im Hoggar-Gebirgszug bei In Ekker bis Februar 1966 insgesamt 13 Atombomben detoniert. Zudem führte die Armee von Mai 1964 bis März 1966 unter dem Decknamen „Pluto“ fünf Testexplosionen mit Plutonium durch, bei denen ermittelt werden sollte, wie weit der radioaktive Niederschlag einer Plutoniumbombe durch Wüstenwinde verbreitet werden würde und wie groß die radioaktiv kontaminierte Fläche wäre.
Folgen für Umwelt und Gesundheit
Mindestens vier der dreizehn Atomwaffentests führten zu massiven Freisetzungen von Radioaktivität in die Atmosphäre aufgrund von Rissen im Felsen oder fehlerhaften Abdichtungen. Der Bekannteste dieser Tests fand im Mai 1962 unter dem Codenamen „Béryl“ statt. Nach der unterirdischen Explosion versagten die Rückhaltemaßnahmen des Tunnelschachts und eine radioaktive Wolke verteilte sich 2,6 km weit in die Atmosphäre, während geschmolzenes, kontaminiertes Gestein aus dem Tunnel geschleudert wurde. Es kam zu einer Massenpanik unter den ca. 2.000 Zuschauern des Tests. Noch in mehreren Hundert Kilometern Entfernung wurden infolge des radioaktiven Niederschlags erhöhte Strahlenwerte gemessen. In der unmittelbaren Umgebung wurden etwa 100 Franzosen und eine unbekannte Anzahl Algerier Strahlendosen von etwa 50 bis 600 mSv ausgesetzt. Dies entspricht in etwa der Dosis von 2.500 bis 30.000 Röntgenuntersuchungen (0,02 mSv pro Untersuchung) und liegt um ein Vielfaches über der natürlichen örtlichen Hintergrundstrahlung von 0,0003 mSv/h. In Folge erkrankten viele der Anwesenden, einschließlich des damaligen französischen Forschungsministers Gaston Palewski, der 1984 an Leukämie starb.
In der Lokalbevölkerung gibt es Berichte über Krebserkrankungen, Katarakte und Unfruchtbarkeit, die mit der Radioaktivität zusammenhängen könnten. Aufgrund inadäquater medizinischer Versorgung und fehlendem wissenschaftlichen Interesse sind jedoch bis heute keine epidemiologischen Studien in dieser Bevölkerung durchgeführt worden. Durch die atomaren Tests wurden große Teile der Region in eine radioaktive Ödnis verwandelt. Durch das Auswaschen der verseuchten Erde könnten auch Grundwasservorräte und nahe gelegene Oasen kontaminiert worden sein. Außerdem verblieben radioaktiver Schutt, Überreste der Testmaterialien und technische Instrumente in den Tunneln. Vieles wurde über die Jahre gestohlen, wodurch sich die radioaktiven Geräte über die ganze Region verbreiteten.
Ausblick
Als bleibendes Vermächtnis hat die „Béryl“-Explosion einen radioaktiven Lavastrom vor dem Tunneleingang zurückgelassen. 2007 haben unabhängige Forscher hier Strahlenwerte gemessen, die mit 0,1 mSv/h ca. 350-fach höher lagen als die normale Hintergrundstrahlung. Da es bis vor Kurzem keine Karten gab, die die radioaktiv verseuchten Gebiete anzeigten, konnten Nomaden mit ihren Herden die kontaminierte Region betreten, ohne sich über die Gefahren bewusst zu sein. Erst 1999 errichtete die algerische Regierung einen 40 km langen Zaun, um den Zugang zum kontaminierten Berg zu verhindern. Trotzdem ist die Gefahr nicht eingedämmt und weitere Forschung zu den Folgen für Umwelt und Gesundheit wird dringend benötigt.
Immer wieder haben algerische Hilfsorganisationen und französische Veteranenverbände Entschädigungen von der französischen Regierung verlangt, die bisher immer behauptet hatte, dass durch die Atomwaffentests weder Personal noch die Allgemeinbevölkerung Gesundheitsschäden erlitten hätten. Erst 2009 wurde durch die französische Nationalversammlung schließlich doch ein Gesetz verabschiedet, das eine finanzielle Entschädigung für Personen vorsieht, die an Atomwaffentests teilnahmen und anschließend an einer von 18 definierten Krebsarten erkrankten. 40 Jahre nach Beginn der Tests im Hoggar-Gebirge kommt diese symbolische Geste für viele der Hibakusha von In Ekker zu spät. Ihre Gesundheit und die ihrer Nachkommen wurden durch den Einsatz von Atomwaffen nachhaltig geschädigt.
Quellen
- Barrillot B. „French Nuclear Tests in the Sahara: Open the Files“. Science for Democratic Action, Institute for Energy and Environmental Research, April 2008. http://ieer.org/wp/wp-content/uploads/2012/02/15-3.pdf
- „Radiological Conditions at the Former French Nuclear Test Sites in Algeria“. Internationale Atomenergie Organisation (IAEO). Wien, 2005. www-pub.iaea.org/MTCD/publications/PDF/Pub1215_web_new.pdf
- „France to pay nuclear test compensation“. Webseite der BBC News, 09.06.09. http://news.bbc.co.uk/2/hi/europe/8076685.stm
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