Radium Hill, Australien
Uranbergbau
In Australiens erster Uranmine in Radium Hill wurde zwischen 1906 und 1961 spaltbares Material für Forschung und Atomwaffen abgebaut. Aufgrund ihrer hohen Exposition mit Radongas entwickelten viele der Bergarbeiter Lungenkrebs. Ungesicherte Atommülldepots führten zudem zu einer radioaktiven Verseuchung der umliegenden Region.
Hintergrund
Nach der zufälligen Entdeckung von Radium und Uran in der Wüste nordöstlich der australischen Stadt Adelaide wurden die ersten Minenschächte 1906 in Betrieb genommen und das Gebiet „Radium Hill“ getauft. 1911 begann die neu gebaute Raffinerie mit der Produktion von Radium, welches an Chemiker und Forscher verkauft wurde, unter anderem Ernest Rutherford und Marie Curie. Im März 1952 unterschrieb die australische Regierung mit Großbritannien und den USA einen Liefervertrag für Uran. So begann man in Radium Hill, Uran exklusiv für die Atomwaffenprogramme der beiden Staaten zu produzieren. Die Ausfuhr der Mine in den Jahren zwischen 1954 und 1961 betrug fast 970.000 Tonnen Uranerz, welches etwa 860 Tonnen spaltbarem U3O8 entsprach, die in Form von „Yellowcake“-Pulver verschifft werden konnten. Der restliche Abraum verblieb als radioaktiver Müll in Radium Hill.
1961 wurde die Mine schließlich außer Betrieb genommen. Die drei großen offenen Abraumhalden, die geschätzte 225.000 Tonnen radioaktiven Müll beinhalteten, blieben ungesichert, sodass radioaktives Material über fast 20 Jahre verweht wurde und die umliegende Wüste kontaminierte. Erst 1981 wurden die Abraumhalden schließlich mit Erde bedeckt, doch Erosionsprozesse führten dazu, dass auch weiterhin radioaktiver Müll in die Umwelt gelangte. Zudem wurden bis 1998 insgesamt 16 Lieferungen radioaktiven Mülls aus anderen Landesteilen in Radium Hill deponiert, unter anderem durch radioaktiven Staub kontaminierte Erde aus der Metropolenregion Adelaide.
Folgen für Umwelt und Gesundheit
Seit den 1980er Jahren haben Wissenschaftler der Adelaide University bei Uranbergbauarbeitern den Zusammenhang zwischen der beruflichen Exposition mit Radon und der Inzidenz von Lungenkrebs untersucht. Das Auftreten des Krebs wurde über Sterberegister und durch Befragungen analysiert. Insgesamt wurden 2.574 Arbeiter identifiziert, die Lungenkrebs entwickelten. Das Ausmaß der Exposition wurde durch dokumentierte Messwerte von Radongaskonzentrationen in den Minen geschätzt. Unter den Arbeitern, die bis 1987 beobachtet wurden, stieg die Mortalität durch Lungenkrebs im relativen Vergleich zur australischen Bevölkerung in diesem Zeitraum bedeutend an (standardisierte Mortalitätsrate 1,94). Die Mortalität durch Lungenkrebs lag bei den unter Tage arbeitenden Bergleuten deutlich höher als bei denen, die über Tage arbeiteten, vor allem bei den Minenarbeitern, die einer langfristigen Exposition ausgesetzt waren: Bei mehr als 40 Arbeitsjahren zeigte sich ein fünffach erhöhtes Risiko für Lungenkrebs, während die Kohorte mit zehn bis vierzig Arbeitsjahren ein doppeltes Risiko für die Entstehung von Lungenkrebs hatte. Dabei wurde vorausgesetzt, dass die Strahlenexposition pro Jahr bei einer willkürlichen Menge von 170 Stunden lag, einem sogenannten Working Level Month.
Neben den Minenarbeitern litt jedoch auch die Lokalbevölkerung unter dem Uranbergbau. Der radioaktive Abraum der Minen führte zur Verseuchung großer Teile der Region, da er nicht vor Verwehung und Erosion geschützt wurde. Die im Jahr 2006 gemessene Strahlendosis nahe den Abraumhalden lag mit 0,94 mSv/h immer noch mehr als 3.000 Mal höher als die natürliche Hintergrundstrahlung (0,0003 mSv/h). Radioaktive Stoffe wie Thorium, Rubidium oder Uran wurden zudem in Bodenproben im Umland gefunden. Vor allem betroffen sind die Gebiete südlich des Uranabbaugebiets, zwischen Radium Hill und der Stadt Adelaide.
Ausblick
Während der Uranabbau 1961 gestoppt wurde und seit 1998 auch kein zusätzlicher Atommüll in Radium Hill mehr eingelagert wurde, bleibt das gesamte Gelände eine ungesicherte radioaktive Gefahrenzone. Es wurden zudem bis heute keine adäquaten epidemiologischen Studien durchgeführt, die die gesundheitlichen und ökologischen Auswirkungen des radioaktiven Abraums und dessen großflächige Verbreitung untersuchen. Die Menschen, die von der radioaktiven Kontamination des Uranbergbaus betroffen sind, sind auch Hibakusha. Auch ihre Gesundheit wurde dem Streben nach Atomwaffen untergeordnet.
Quellen
- Woodward et al. „Radon daughter exposures at the Radium Hill uranium mine and lung cancer rates among former workers, 1952-87“. Cancer Causes and Control, Vol 2, 1991. www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/1873450
- Mudd, GM. „An environmental history of uranium mining in Australia: A scientific review“. Proceedings of the Australian Uranium Conference, Oktober 2005.
- Lottermoser et al. „Physical dispersion of radioactive mine waste at the rehabilitated Radium Hill Uranium Mine Site, South Australia“. Austr. J of Earth Sciences, 53(3):485-499, 2006. http://eprints.jcu.edu.au/1598/1/Lottermoser%26Ashley.pdf
- McLeary M. „Radium Hill uranium mine and low-level radioactive waste repository“. Minerals & Energy Division, Government of South Australia, Report Book 2004/9. www.pir.sa.gov.au/__data/assets/pdf_file/0016/10825/rb2004_009_radium_hill.pdf